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 Betreff des Beitrags: Zentralfriedhof
BeitragVerfasst: Fr 18. Jun 2010, 20:36 
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Registriert: Mi 16. Jun 2010, 19:16
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Die Nacht war klar, die Lichtsichel am Himmel schien zwischen den wenigen Wolken hindurch und es wehte ein leichter Wind, brachte die Äste der Bäume zum Knarzen und veranlasste die Blätter zu einem stetigen Rascheln, das den Hintergrund erfüllte.
Ein in einen schwarzen Mantel gehüllter Mann schritt ruhig zwischen den Grabsteinen den ihm mittlerweile bekannten Weg entlang. Der Kies unter seinen Stiefeln knirschte in mehreren Nuancen, bis er vor dem weißen Grabstein in der hinteren linken Ecke des Friedhofs stehen blieb. Er senkte den Kopf, um die Innschrift einmal mehr zu betrachten, wobei ihm die zerzausten schwarzen Haare ins Gesicht fielen. Mit einem schwachen Kopfschütteln klärte er sein Blickfeld. Warum war er überhaupt hier? Was hatte ihn getrieben?
Das Gesicht seiner Mutter tauchte plötzlich wieder vor seinem inneren Auge auf, und beantwortete eben jene Fragen wortlos. Der junge Mann versenkte seine noch immer leicht zitternden Hände in den tiefen Manteltaschen. Seufzend blickte er starr hinab und verdrängte dabei die dunklen Gedanken, die ihn noch vor einer Stunde beinahe in den Abgrund befördert hätten. Es war müßig darüber nachzudenken. Er war am Ende, ja, aber war es nötig gewesen so weit zu gehen? Stummes Kopfschütteln. Er wusste nicht, was genau ihn vor seiner selbstzerstörerischen Ader gerettet hatte, doch nun, in diesem Moment, auf dem Friedhof, vor dem Grab seiner Mutter, war er sogar dankbar dafür, dass er rechtzeitig eingelenkt hatte. 'Es war richtig. Ich habe noch eine Aufgabe. Mein Schicksal ist noch nicht erfüllt. Auch wenn das bedeutet, dass weitere Schmerzen folgen werden...' Wie zur Bestätigung zog sich ein scharfer Schmerz durch die mittlerweile verheilten Narben auf seinem Rücken, die von der Tätowierung überdeckt wurden. 'Das wird wohl meine Strafe sein...' Der Blick seiner smaragdgrünen Augen wanderte, weg von dem Grabstein vor sich, gen Himmel. Sein Atem war ruhig, seine Hände zitterten nicht mehr so stark, der kühle Wind beruhigte seinen Geist. Es verging einige Zeit, in der er einfach nur reglos vor diesem weißen Grabstein stand und nichts weiter wahr nahm, als den Wind, das Licht und seine eigenen Gedanken. 'Es tut mir Leid Mutter, ich fühlte mich gebrochen, nutzlos, sinnlos.... Ich danke dir, dass ich heute noch lebe.' Denn nun war er frei. Sein 21. Geburtstag, der Tag der Freiheit, jedenfalls sollte er das eigentlich sein.
Ein raues, fast animalisches Lachen entrang sich seiner Kehle. Als würde er jemals frei sein. Allein der Gedanke war so abwegig, dass es nur noch lachhaft erschien. Denn wenn es eines gab, dass er mehr hasste, als alles andere auf der Welt, dann war es sein kontrollsüchtiger Vater.
Der Wind nahm an Intensität zu und wehte harsch durch sein Haar und den langen schwarzen Mantel und übertönte jegliche Geräusche um ihn herum.
So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass er nicht bemerkte, wie ein Mann, ebenfalls in schwarzem, allerdings kurzen, Mantel neben ihn trat. Sein braunes Haar glänzte im Mondschein, der sein Profil gegen die Bäume warf. "Was tust du so spät hier?" Die Stimme des kleineren Mannes war ein Flüstern. "Bessere Frage: Was treibt dich ausgerechnet jetzt hierher?" "Hm, sagen wir ich wollte der erste Gratulant sein." Sein Freund schnaubte. "Wahrheit bitte Josef." Der drehte sich ihm zu, legte ihm die Hand auf die linke Schulter und musterte ihn aus ruhigen, eisblauen Augen. "Ich muss mit dir reden, hier, jetzt und nein, es duldet keinen Aufschub." Akkarin seufzte leise, verabschiedete sich innerlich mal wieder von seiner Mutter und wandte sich seinem besten Freund zu. "Dann lass uns ein Stück gehen." Josef führte ihn mit sanfter Gewalt und den immer noch um Akkarins Schultern liegenden Arm als Mittel zum Zweck benutzend, vom Hauptweg weg und setzte ihn und sich kurze Zeit später auf eine Bank im Schatten mehrerer hoher Eichen. "Also, was willst du mit mir bereden?" Josef lächelte. "Nicht bereden, erzählen." korrigierte er entspannt. "Ich weiß, was du tun wolltest" Akkarin erstarrte. "Keine Panik, alles ist gut. Wir wissen beide, dass das ne Schnapsidee war." Akkarin nickte stumm, unfähig irgendetwas zu sagen. "Mach dir jetzt keinen Kopf darum. Es ist nichts passiert." Josef hielt inne. "Was du brauchst, ist Freiheit." Akkarin schnaubte. "Schön wär's." Josef musste lachen. "Es gibt immer Mittel und Wege. Viele sind offen ersichtlich, und doch keine Option, einige sind versteckt, und immer noch zu wenig. Und dann gibt es Wege, die sind dunkel und geheim, verdeckt unter einen Mantel des Schweigens, so verrückt, dass man meint, es sei nur Fantasie, doch es ist Realität." Musste er immer so verquer reden? Akkarin murrte. "Akka, ich weiß, du wirst mir das jetzt nicht glauben, egal ob können oder wollen, aber auch dir steht ein Weg offen. Ein zugegebenermaßen dunkler, langer und anstrengender Pfad in eine neue, gefährliche Welt, voller Tücke und Hinterlist. Aber es ist ein Weg, der sich zu gehen lohnt." Akkarins smaragdgrüne Augen waren auf Josefs eisblaue gerichtet. Er wirkte wie gebannt, dachte innerlich scharf über Josefs Worte nach und harrte dem, was kommen würde. "Ich selbst bin diesen Weg gegangen, und ich bin zufrieden mit meiner Wahl." Akkarin war verwundert. 'Was hat er denn getan?' Er musterte Josef eindringlich. Er schien völlig normal. "Und was...?" Josef legte den Kopf schief. "Tut mir Leid, aber hier ist die Grenze. Ich kann und darf es dir nicht sagen. Aber ich kann dich auf diesen Weg führen. Alles, was ich brauche ist dein Einverständnis und dein Vertrauen."
'Kann ich das?' Gute Frage. Sogesehen wusste er nichts. Er hatte keine Ahnung, auf was er sich einlassen würde. Aber andererseits... Hatte Josef je etwas getan, das sich im Endeffekt nicht ausgezahlt hatte? 'Nein' Der junge Mann sah Josef an. "Du meinst, du kannst es mir nicht sagen, weil du Angst hast, dass ich ablehne und darüber reden werde?" Akkarin schüttelte den Kopf. "Sicher nicht" Josefs Lachen hallte einen Moment wider. "Du wirst es mir eh nicht glauben." Er lächelte, senkte den Kopf und hob ihn wieder, bevor er ein breites Lächeln aufsetzte.
Akkarin erstarrte. Ihm wurde eiskalt, als er die beiden Reißzähne anstarrte, die Josef ihm präsentierte. "Angst? Unnötig. Ich habe dich all die Jahre nie verletzt. Und ja, ich bin das, für das dein Unterbewusstsein mich hält." Sein Freund schüttelte den Kopf. "Unmöglich" würgte er hervor. "Keineswegs. Ich bin frei Akkarin, ein freier Mann. Und du könntest genau das selbe sein."
Josef war sich seiner Sache sicher. Akkarin hatte gar keine andere Wahl mehr, nicht, wenn er wirklich frei sein wollte. Er würde heute Nacht ein neues Leben beginnen, und er war dafür verantwortlich, dass dies auch reibungslos funktionierte.
Akkarins graue Zellen arbeiteten auf Hochtouren. 'Das ist unmöglich! Oder etwa nicht?' Er wusste nicht, was er glauben sollte, versuchte seine Gedanken zu ordnen, den Schock zu vertreiben, der beim Anblick von Josef von ihm Besitz ergriffen hatte, und sah ihn doch weiterhin an. Dann fasste er einen Entschluss, der so wahnwitzig war, dass er nur von ihm kommen konnte. "Was genau erwartet mich?"
Josef grinste nur noch in sich hinein. 'Na geht doch. Das war schwieriger, als gedacht, er ist misstrauischer, als ihm manches Mal gut tut, aber egal...' "Keine Panik, viel wirst du nicht merken" murmelte er und erhob sich. Dann zog er den Mantel aus und warf ihn auf die Bank, bevor auch Akkarin aufstand. "Vertrau mir." Seine Stimme war ein Flüsteern im Wind.
Akkarin schluckte. Wenn das hier wirklich der Ausweg war, würde er den Weg gehen, wenn nicht, nun, das spielte nun keine Rolle mehr. Es war seine vielleicht einzige Chance, er musste es versuchen. Entschlossen stand er auf. Josef bat ihn um Vertrauen, er willigte still ein. Trotzdem spannte er sich an, als Josef an ihn heran trat, ihn mit einer Hand im Nacken packte und Akkarin mit dem anderen Arm fest in seinem Griff hielt. Der junge Mann schloss die Augen, genau in dem Moment, in dem sich Josefs Zähne in seinen Hals bohrten.
Der Schmerz war scharf und entlockte Akkarin ein Keuchen. Sein Hals brannte, sein Hirn sandte eine einzige Woge aus Schmerz und Verzweiflung durch seinen Körper, doch Josef hielt ihn erbarmungslos fest und unterdrückte Akkarins Aufbäumen im Ansatz, während er dessen Blut trank und Akkarins Bewusstsein zu schwinden begann. Der Blutverlust war enorm, doch was hatte er auch erwartet? Seine Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln, kurz bevor die Bewusstlosigkeit seine Schmerzen ertränkte und ihn zu sich rief.

Akkarin ----> Kingston Lane 13

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Verfasst: Fr 18. Jun 2010, 20:36 


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