Die Nacht war klar und nur von wenigen Wolken durchzogen. Eine gute Nacht. Eine Nacht zum Geld verdienen. Und die Musik hörte man noch vor der Tür.
We’re all ok, until the day we’re not The surface shines, while the inside rots We raced the sunset and we almost won We slammed the brakes, but the wheels went on We ran away Now all my friends are gone Maybe we’ve outgrown all the things that we once loved Runaway But what are we running from ? A show of hands from those in this audience of one Where have they gone ?
„Ging doch gut.“ meinte Jason und schulterte den Gitarrenkoffer. Dae nickte zustimmend und half Gavin mit dem letzte Teil seines Schlagzeuges. „Bis morgen, Dae.“ sagte Meg und drückte sie wie immer fest an sich. „Gute Nacht, Meg, und bis Morgen.“ Dann stieg sie zu Gavin in den Wagen, der sich aus dem Fenster hing. „Jason, hast das super gemacht heute, ich hab keinen Fehler gehört. Meg, zupf was sanfter. Dae, üb die Aufgänge noch mal.“ Er verzog das Gesicht. „Gavin, hau nicht mit dem Stick daneben.“ Alle lachten. „Naja, bis morgen zur Probe.“ sagte Gavin und fuhr ab. Dae und Jason sahen dem Wagen noch ein Stück hinterher. „Soll ich dich nach Hause bringen?“ fragte Jason dann. Dae sah ihn an und schüttelte den Kopf. „Nicht nötig. Du solltest nicht trödeln, deine Mum braucht sich sicher zu Hause.“ Jason machte eine abschätzende Kopfbewegung. „Ich machs aber gern.“ Dae lachte. „Ich weiß, aber das ist ein Riesenumweg für dich. Bis morgen dann.“ Damit wand sie sich der Seitengassen zu. „Bist du sicher?“ rief Jason noch. „Keine Angst,“ gab sie zurück. „Ich kann schon auf mich aufpassen.“ Weit hatte sie es nicht, nicht mal ganz fünfzehn Minuten heute Abend. Es ging also wirklich schnell. Und Dae hatte auch kaum Gepäck dabei, ihre Tasche mit Portmonee, Bürste, Mikro, das übliche halt. Ihr Kopf ratterte, sie dachte darüber nach, ob sie das Bild auf ihrem Küchentisch zusammenrollen und abschicken konnte, oder ob sie doch besser nochmal darüberging. Sie blieb stehen, als sie das Gefühl hatte, ihren Namen zu hören. Schwach, als würde der Wind die Rufe scheidender Geister zu ihr tragen. Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte schon lange keine Stimmen mehr gehört, sie bildete sich das bloß ein. Sie setzte ihren Weg fort, ließ sich keine Angst einjagen, bog um die Ecke, noch fünf Minuten. Sie sah den Schatten viel zu spät und realisierte ihn erst, als er sie auf den Boden warf. Dae stieß einen Schrei aus und ließ die Tasche los. Sie hatte schon einmal eine versuchte Vergewaltigung durchgemacht, damals aber war der berühmte Ritter in goldener Rüstung aufgetaucht. Aber der war lange fort. Dae musste sich selbst wehren. Sie stieß beide Hände nach oben, Richtung Gesicht ihres Angreifers, stieß das Bein in seinen Magen und schaffte es dann, schnell wieder auf die Beine zu kommen. Nur war er mindestens genauso schnell. Dae nahm die Beine in die Hand. Sie war eine kleine junge Frau und dieser Kerl hier war.... hm, geschätzte 1,90 groß. Dafür aber verflucht schnell. Er packte sie von hinten, fest wie ein Schraubstock, und dann biss er ihr in die rechte Schulter. Das Mädchen schrie auf vor Schmerz, obwohl sich ihr Kopf fragte, mit was für einen Psychopaten sie es zu tun hatte. Dae trat ihm mit voller Wut auf den Fuß, rammte ihm den Ellebogen in den Magen und riss sich los. Dabei riss ihr Pullover an ihrer linken Schulter auf und plötzlich hatte Dae Schmerzen. Sie hielt sich im Laufen die Schulter, bemerkte das Blut an ihren Fingern. Die Kratzer liefen fast bis zum Schlüsselbein. Was zur Hölle war das gewesen? Dann spürte sie den Schlag in den Rücken und landete auf dem Asphalt. Fast sofort wurde sie herumgerissen, sodass sie wieder in den Himmel sehen konnte, und machte sich bereits für einen weiteren Verteidigungsschlag bereit, da musste sie den Schrei unterdrücken. Was auch immer über ihr war... es konnte kein Mensch sein. Dafür war es zu entstellt, zu hässlich. Die Ohren wirkten zerfetzt, die Augen zu hell, die Haut blass, fast grünlich. Das Wesen war wirklich verdammt groß, verdammt stark und sah verdammt unmenschlich aus. Und stank. Die Krallen, die seine Fingernägel darstellten, hatten ihr sicher die Schulter aufgerissen. Und jetzt hatte Dae Angst. Eine solche Angst, das es ihr den Atem nahm. Dae hatte nur ein einziges Mal Todesangst gehabt und auch nicht in diesem Ausmaße und begleitet von solchen Schmerzen. Sie zitterte. Dieses Wesen war kein normaler Betrunkener, der seine Triebe nicht unter Kontrolle hatte. Das hier war was anderes. Und es wollte sie auch nicht bloß schänden oder prügeln. Es wollte sie töten. Daes Herz hämmerte schmerzhaft gegen ihre Rippen. Das Wesen, das... Ding, beugte sich zu ihr hinab, so schnell. Dae starrte es an. Dann knallte es und plötzlich war die Enge weg, das Wesen hob den Kopf, da war Blut. Das Geräusch wiederholte sich. Dae erkannte das harte Echo eines Schusses.Wütend packte das Wesen sie am Kragen und richtete sich auf, sie hörte einen erneuten Schuss, diesmal spürte sie ihn auch. Ihre Wange riss auf und sie stöhnte schmerzerfüllt. Dann der Stich. Heißes Metall. Eine Klinge in ihrer Seite und diesmal schrie sie auf, so weh tat es. Ihr Kopf wollte gar nicht begreifen, das das, was sie Tropfen hörte, vermutlich ihr eigenes Blut war. Dann schleuderte ihr Angreifer das Mädchen gegen die Wand des Hauses, das die Gasse bildete. Dae schlug hart auf und spürte, wie etwas zerbrach. Ihr Kopf schlug an der Wand an. Eine Sekunde war ihr schwarz vor Augen, ihr wurde schwindelig, sie spürte, wie sie Richtung Boden fiel und wollte die Arme heben, um sich abzufangen, aber sie bewegten sich nicht oder zu langsam. Dae fiel und blieb auf dem Asphalt liegen. Ihr Sichtfeld verschwamm erst und engte sich dann ein. Sie hatte Schmerzen wie noch nie zuvor. Ihr linker Arm... den spürte sie nicht, aber sie spürte kurz über dem Ellebogen furchtbare Schmerzen. Sie wollte wissen, was war, aber sie konnte den Arm nicht bewegen. Er war verdreht. Gedanken, Gesichter jagten an ihr vorbei. 'Jason, Gavin, Peter, Meg... helft mir doch!' Ein Fauchen erklang, wie von einem wilden Tier und dann wieder Schüsse. „Weiche!“ brüllte jemand. „Deine Seele wische ich vom Antlitz dieser Welt! Weiche!“ Dae sah nichts, sie hörte Schüsse, dann ein Geräusch, das sie nicht definieren konnte. Erneut ein Fauchen wie von einem wütenden Tier, Schüsse, Schritte... Stille. Dann trat jemand in ihr Gesichtsfeld, beugte sich über sie. Sie hörte eine männliche Stimme von irgendwo außerhalb ihrer sichtlichen Wahrnehmung. „Er flieht! Mina, er flieht! Rufe den Herrn!“ Das Gesicht der Frau über Dae wurde schärfer, aber sie bekam keine Luft. Dann spürte sie das Blut, das sich ausbreitete. Sie musste auch am Kopf verletzt sein. „Kind! Nein, nein, bleib hier, bleib im Licht.“ sagte die Frau über ihr, sie spürte ihre warmen Hände an ihrem Gesicht, auf ihrer Stirn. Dae erkannte sie kaum, es war zu dunkel in der Gasse. Sie sah auf und wirkte dabei ziemlich panisch. „Rick, Rick, komm her!“ Schritte, die Stimme des Mannes wieder. Eine weitere Person... mit gezogener Waffe. „Oh Gott, dieser Kerl!“ Dae wollte sich bewegen, sich aufrichten, aber in ihren Muskeln war keine Kraft mehr. „Shh, ganz ruhig.“ sagte die Frau und hob ihren Oberkörper sanft an. Dae jammerte auf. Die Frau legte sie vorsichtig auf ihre Knie, betrachtete sie, Dae konnte ihre Stimme nur dumpf vernehmen. „Was tun wir?“ fragte sie. Dae nahm zusammen, was an Bewusstsein übrig war. „Arzt...“ stieß sie hervor, ihr Atem kam nur stoßweise. „Kranken....wagen....“ Die beiden Fremden sahen sich an. Dae hatte Angst. 'Oh JAH, bitte, lass mich nicht sterben hier, bitte! Ich darf nicht auch sterben, ich darf nicht gehen. Bitte Bitte, lass mich leben!' „Wir können nicht einfach jemand rufen.“ sagte die Frau und Dae spürte, wie ihre Angst wuchs. War sie hier etwa in den Bandenkrieg von Verrückten geraten? Oder in die internen Streitereien zweier Irrenhäuser, die ihre Patienten nicht im Griff hatten? „Nein, er würde sehen... es strahlt ihm hell entgegen. Nein, Mina, wir können nicht.“ Dae versuchte erneut, aufzustehen. Dann würde sie eben selbst zum Krankenhaus laufen oder auf die Hauptstraße der Fußgängerzone, die ja nur hier aus der Gasse heraus lag und das hier gehörte schon dazu Da würde ihr jemand helfen. Aber die Frau hielt sie fest. „Nein, nicht bewegen, sonst reißt alles nur noch mehr auf.“ Dae spürte Übelkeit, dann Hustenreiz. Sie spuckte Blut. 'Ich sterbe!' Die Frau starrte auf das Blut, wirkte entsetzt. „Nicht, das verletzt dich weiter.“ sagte sie erschrocken. „Bitte.... lasst mich.... nicht hier.... sterben....“ keuchte Dae und jetzt weinte sie auch. Nach so langer Zeit. Die Frau sah auf. „Ich bin angemeldet...“ sagte sie dann. Rick sah sie an. „Du sagtest, du wolltest gut darüber denken und warten.“ Sie schüttelte den Kopf. „Rick.“ Er sah auf Dae hinab. Sie hatte keine Ahnung, wovon die Beiden redeten und das machte ihr Angst. Der Mann nickte und die Frau wand sich an Dae. Sie spürte, wie ihre Sinne weiter schwanden. „Ich kann dir dein Leben erhalten, doch wirst du ein anderes führen als je zuvor.“ sagte sie schnell. „Du wirst alles verlieren und neu beginnen müssen.“ Dae krallte sich in ihren Arm. Sie wollte nicht gehen. Sie hatte doch jemand etwas versprochen. „Ich.... will... nicht.... sterben....“ Dann sah sie wirklich kaum noch was, alles war dunkel, lag unter dem roten Vorhang der Schmerzen. Dae hatte auch nicht mehr die Kraft, aufzuschreien, als sie spürte, wie sich etwas Kleinen, Spitzes heiß in ihren Hals bohrte. Sie keuchte nur auf, zitterte, sie spürte Tränen, heiß, dann kühlten sie schnell ab. Dae spürte, wie ihre Sinne unter die Schmerzen sanken. Dann schloß sie die Augen ganz und hörte auf zu Atmen.
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